GEDANKEN

„Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, sie fliegen vorbei, wie nächtliche Schatten,
kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen, es bleibe dabei, die Gedanken sind frei.“
– ein Deutsches Lied

Stimmt das?
Zu Beginn meines Meditationstrainings war ich nahezu überzeugt davon, dass es nicht möglich ist, meine Gedanken zu beeinflussen. Sie fühlten sich so real, massiv und naturgegeben an. Mit der Zeit lernte ich, dass es diverse Möglichkeiten gibt, Gedanken wahrzunehmen und zu modifizieren, und hinsichtlich meiner inneren Orientierung im jeweiligen Moment bewusste Entscheidungen zu treffen.

Als ich ein kleines Mädchen war, sang meine Mutter gern oben zitiertes Lied. Ich fand es schön, dass es eine Freiheit in dem was und wie wir denken gibt, und ich hätte gern mehr darüber gewusst. Nun, mehrere Jahrzehnte später, fühle ich manchmal noch diese unverdorbene Freiheit, aber ich fühle auch den kraftvollen Einfluß meiner eigenen Gedanken. Ja, niemand kann sehen, was wir denken, aber wir fühlen doch recht viel von dem, was in uns und anderen vor sich geht und unsere Gedanken haben sehr viel Macht. Es kommt mir nun eher so vor, als läge die Freiheit darin, nicht mit den eigenen Gedanken identifiziert und auf sie fixiert zu sein, sondern unfreie Automatismen zu erkennen und die freie Wahl erlangen. Das ist aber nicht unbedingt in unserer Biologie verankert.

‚Negativity Bias‘
Im Laufe der Evolution haben immer die Menschen überlebt und sich fortgepflanzt, die sich gefährliche Situationen gut merken konnten. So haben wir nun eine fünf Mal stärkere Erinnerung für negative Erlebnisse als für positive. Es mag immer noch unser Überleben erleichtern, es erschwert aber auch unsere Interaktionen und unsere Zufriedenheit. Es ist nicht gerade schön, wenn wir feststellen, dass das eine große Problem in unserem momentanen Leben den meisten Raum in unserem Denken einnimmt. Wachen wir schon mit dem Gedanken daran auf, ist es nicht leicht, mit Freude und Optimismus in den Tag zu starten.

Gedanken
Wir haben über 50 000 Gedanken pro Tag und unsere Gedanken heute entsprechen zu etwa 98% unseren Gedanken gestern. Wir sind in diesem Leben gestartet mit Gewohnheiten und Verhaltensweisen, die wir von unseren Eltern gelernt haben. Dazu gehören sehr wesentlich unsere Gedanken. Sie sind in gewisser Weise ein zentraler Aspekt unseres ‚inneren Managementsystems‘. Informationen kommen von den verschiedenen Sinnen und Empfindungen und werden mehr oder weniger bewußt verarbeitet. Haben wir Entscheidungen zu fällen oder finden wir uns in bestimmten (komplexen) Situationen, finden Gedankenprozesse statt, die uns oft nur halb oder gar nicht bewußt sind. In der Geschwindigkeit des täglichen Lebens entgehen uns die meisten unserer Gedankengänge. Dennoch färben sie unser Erleben und beeinflussen unsere Beziehungen, unsere Zukunft und Erfahrungen.

Energie
Wohin Gedanken gehen, geht unsere Energie. Wachen wir mit belasteten Gedanken auf, können wir gut beobachten, wie sie uns ‚herunter ziehen‘. Gehen wir mit einer negativen Einstellung einer bestimmten Person gegenüber aus dem Haus, oder arbeiten wir mit jemandem zusammen, den wir einfach nicht leiden können und haben ständig Gedanken dazu im Kopf, ist es sehr schwer, diese Situation zu ändern. Nehmen wir aber wahr, was automatisch in uns vor sich geht und erkennen die Muster darin, können wir uns bewußt entscheiden, unsere Aufmerksamkeit auf andere Aspekte dieser Person oder unserer Situation zu richten, und in positiver Weise unsere eigene Situation verändern. Dann beeinflusst diese neue, konstruktive Energie die Richtung, die unser Tag und bestimmte Begegnungen und unsere Gedanken dazu nehmen werden.

Manifestationen
Etwas entsteht in unseren Gedanken, wird größer in unseren Gefühlen und Wünschen und manifestiert sich mehr und mehr, wenn wir es aussprechen und tatsächlich tun. Dies ist eine klassische Abfolge. Gedanken sind meist die subtile Seite, der Beginn und Handlungen das Ergebnis. Während des gesamten Prozesses aber spielen Gedanken eine entscheidende Rolle. Beschließen wir negative Gedankenmuster und -kreise nicht weiter zu nähren, finden wir uns nach einer Weile in einer anderen, möglicherweise sehr viel angenehmeren Verfassung wieder. Oft fällt es uns aber nicht leicht aus den negativen, gewohnheitsmäßigen Bahnen auszusteigen und dafür gibt es allerlei Gründe.

Unsere Möglichkeiten
Besonders in der heutigen Zeit in unserer westlichen Welt, wo nicht der wirkliche Säbelzahntiger hinterm nächsten Busch lauert, haben wir in äußeren Fragen oft den Luxus, wählen zu können. Ich empfinde es als besondere Freiheit, wenn ich innerlich Zufriedenheit und eine positive innere Orientierung wählen kann. Oft genug aber finde ich mich in automatischen Tendenzen wieder, besonders, wenn ich müde oder erschöpft bin. Diese fühlen sich weniger frei an.

Die moderne Gehirnforschung veröffentlicht nahezu täglich neue Ergebnisse, die uns mehr und mehr Einsicht in unsere geistige Struktur gewähren. Viele Beobachtungen in unserem eigenen Leben oder auch in dem von anderen Menschen können dies mit Leben füllen.

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