BEZIEHUNG

An einem Abend erzählte ein älter Mann des Cherokee Stammes seinem Enkelsohn von einem Kampf, der in Menschen vor sich geht. Er sagte: „Mein Sohn, der Kampf besteht zwischen zwei ‚Wölfen‘ in uns allen. Einer ist böse. Es ist Ärger, Neid, Eifersucht, Kummer, Bedauern, Verlangen, Arroganz, Selbstmitleid, Schuld, Feindseligkeit, Lügen, falscher Stolz, Überlegenheit und Egoismus. Der andere ist gut. Es ist Freude, Frieden, Liebe, Hoffnung, Gelassenheit, Bescheidenheit, Freundlichkeit, Güte, Empathie, Großzügigkeit, Wahrheit, Mitgefühl und Vertrauen.“ Der Enkel dachte einen Moment nach und fragte dann: „Welcher Wolf gewinnt?“ Der alte Cherokee antwortete einfach: „Der, den Du fütterst.“

Unsere innere Beziehung
Eine große Herausforderung, wenn wir uns unseren Gedanken und Gefühlen zuwenden ist, wie wir es tun. Es geschieht leicht, dass wir ablehnen, was wir finden, wenn wir uns nach innen wenden. Oft haben wir nicht gut gelernt mit Offenheit, Verständnis und Freundlichkeit dem zu begegnen, was wir in unserem Leben vorfinden. So ist es sehr wahrscheinlich, dass wir auch im Umgang mit uns selbst nicht nur diese Qualitäten vorfinden. Viele von uns haben vielleicht schon bemerkt, dass die Art wie wir mit uns selbst umgehen sogar sehr viel unfreundlicher sein kann, als wir andere Menschen behandeln würden.

Geistige „Nahrung“
So wie wir unseren Körper mit gesunder oder weniger gesunder Nahrung ernähren, so behandeln wir auch unseren Geist, unsere Seele mal mehr und mal weniger gut. Meist ist uns dies nicht so bewußt wie die Qualität des Essens auf unserem Tisch. Dennoch sind die Auswirkungen ähnlich. Dies beginnt im Umgang mit uns selbst. Unsere Gedanken, unsere Selbstgespräche, unsere Reaktionen, so wenig sie sich frei anfühlen mögen, sie bestimmen, wie wir uns weiterhin fühlen, wie wir denken und uns verhalten werden. Wir können sie wahrnehmen und beobachten, welche Gewohnheiten wir erlernt haben, sehen wie sie sich auswirken und sie neu überdenken.

Was ist gut und was ist schlecht?
In allen Familien, Gruppen, Kulturen, Traditionen gibt es akzeptierte und nicht akzeptierte Denk- und Verhaltensweisen. Guckt man sich die Regeln der großen Weltreligionen, von Parteien, Vereinen, Stämmen und anderen Gruppen an, findet man viele Übereinstimmungen von dem, was als gut und weniger gut angesehen wird. Die zehn Gebote im Christentum, die Gelübde im Buddhismus usw.
Wir haben in unserem Leben neben klaren Regeln auch viele Widersprüche in deren Kontext erlebt. So ist es kein Wunder, dass wir diese auch in uns selbst finden. Beginnen wir aber die für uns hilfreichen Grundregeln und die Fragen, Unstimmigkeiten und Vorbehalte, die wir in deren Zusammengang haben, wahrzunehmen, haben wir die Chance sie zu hinterfragen. Mit einer neuen, experimentellen Haltung finden wir vielleicht ein tieferes und offeneres Verständnis für Grundüberzeugungen und Haltungen, die wir gern in uns und in unserem Verhalten etablieren möchten.

Neue Offenheit
Blicken wir nach innen, sehen wir unsere Automatismen und auch unsere positiven und negativen Vorbilder. Wir haben eine Idee davon, wie wir sein möchten und wie nicht, und anhand dessen tendieren wir dazu, uns selbst zu beurteilen.

Wenden wir uns nach außen und gehen auf Entdeckungsreise, um Alternativen und neue Vorbilder zu finden, ist es nicht immer leicht die Spreu vom Weizen zu trennen. Es ist nicht leicht, sich in dieser Welt zu orientieren. Wir sehen alle möglichen Kräfte am Werk, gute und schlechte und es ist nicht einfach Klarheit zu finden. Mit neuem, offenem Blick, werden wir aber im Laufe der Zeit finden, wonach wir wahrscheinlich schon länger gesucht haben und mit etwas Bewusstheit und Experimentieren, können wir unsere innere Atmosphäre sich langsam wandeln lassen.

Die beiden Wölfe
Ich sehe in mir die beiden ‚Wölfe‘ ständig am Werk. Die zwei Tendenzen agieren ihre Dynamiken aus. Je nachdem wie bewußt, erschöpft, klar, engagiert oder überfordert ich gerade bin, hat der ‚böse‘ Wolf ein leichtes oder ein schweres Spiel. Beobachte ich mein Wohlbefinden, bemerke ich, dass es sich nicht wirklich gut anfühlt, wenn er mal wieder gewonnen hat. Auch, wenn ‚ich‘ in der Situation bekommen habe, was ich wollte, bleibt ein unguter Nachgeschmack. Dies sind Momente, die mich inspirieren, wachsam zu sein, um feiner wahrzunehmen, was genau vor sich gegangen ist und warum.

Innere Aufmerksamkeit
Es besteht die Gefahr, solche Reflexionen nicht zur Selbstbeobachtung und zum verfeinern der inneren Aufmerksamkeit zu benutzen, sondern dazu, sich automatisch selbst zu be- oder gar ver-urteilen. Nehme ich solche Tendenzen in mir wahr, sehe ich auch den ‚bösen‘ Wolf am Werk. Dies sind gute Momente, um Offenheit, Interesse, Mitgefühl und Verständnis zu entwickeln, um mehr Raum und Sanftheit zu finden.

Wo automatisch Enge und Unfreundlichkeit agieren fehlen Raum und Verständnis. Es gibt verschiedene Hilfen, wie wir diese finden können. Für manche ist es Meditation und Achtsamkeit, für andere ist es ein inspirierendes Buch oder ein Spaziergang mit einem guten Freund. Manchmal genügt es schon, eine kurze Pause einzulegen.

Beziehungen
Stellen wir fest, dass unsere innere Atmosphäre uns nicht gut tut und nichts hilft, kann es sehr angenehm sein, andere Menschen um Rat zu fragen. Viele von uns haben Gewohnheiten oder tieferliegende Verletzungen, die erschweren, einen freundlichen und entspannten Umgang mit uns selbst zu finden. Ein liebe- und verständnisvoller Umgang mit uns selbst wiederum hilft uns, auch befriedigendere Beziehungen in unserer Umwelt zu finden. Manchmal ist der erste Schritt, sich einem anderen anzuvertrauen. Es tut gut festzustellen, das es uns allen ähnlich geht, von Mensch zu Mensch und auch von Kultur zu Kultur.

Ich wünsche Euch viel Zeit mit Eurem ‚guten Wolf‘.

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