VERTIEFUNG

Tägliche Erfordernisse scheinen uns zu Multitasking und Eile zu zwingen, viele Interessen und die Bedürfnisse unserer Nächsten halten uns dann oft noch länger beschäftigt als uns lieb ist. Haben wir dann mal Zeit für mehr, sind wir oft aufgewühlt und erschöpft. Von dort aus ist es nicht leicht, unsere eigene Tiefe und unsere wirklichen Interessen zu erreichen.

Auf ganz verschiedene Weise bringen die vielen Neuerungen unserer Zeit eine Verflachung, grosse Komplexität und auch Leichtigkeit mit sich. Einerseits genießen wir die angenehmen Seiten und die vielen Aspekte unseres Lebens, die angenehm sind und Spaß machen. Andererseits erleben viele von uns einen Verlust an Sinn und Tiefe in ihrem Leben und Erleben.

Verwirrung
Auf verschiedenste Weise tendiert unser modernes westliches Leben dazu, oberflächlich zu sein. Im Vergleich mit vielen Generationen zuvor haben wir in mannigfacher Hinsicht große Wahlfreiheit und erstaunlichen Komfort. Gleichzeitig aber belasten uns diverse moderne Unannehmlichkeiten und Herausforderungen.

Auf der Suche nach…
Guckt man in die Angebote von Verlagen, Reiseanbietern, Seminarhäusern und ähnlichem, wird ein Bedürfnis nach Raum, Frieden, Ruhe und Vertiefung offensichtlich: Studienreisen, Yoga-, Entspannungs- und Meditations-Urlaub, sogar Aufenthalte in Klöstern werden angeboten. Und oft genug sehnen wir uns nicht nur nach Natur, Entspannung und Erholung, sondern auch nach Sinn und Verbundenheit.

Für viele von uns ist es nicht leicht, allein zuhause die gewünschte Vertiefung zu finden. Ich freue mich über all diese Angebote und ich feue mich auch, wenn ich Menschen irgendwo in der Natur oder auch in einem Café oder im Zug sitzen sehe, wo sie einfach eine Pause zu nehmen scheinen. Manche schreiben Tagebuch, andere lesen entspannende oder auch inspirierende Bücher oder sie spazieren und tauschen sich mit Gleichgesinnten aus. Neben ‚Spaß und Spiel‘ sind zunehmend solche Orte, Freizeitaktivitäten und Gruppen gut besucht.

Inspiration
Nach dem ersten Schritt, nämlich selbst die Ruhe zu finden, um sich tieferen Ebenen des eigenen Seins und Wünschens zuwenden zu können, ist Inspiration: was, wie, wann, wo, mit wem, warum und ‚überhaupt..‘., eine nächste Hürde. Oft finden wir Zugang zunächst durch ein Gespräch mit jemandem, ein interessanter Beitrag in unseren Medien, oder auch durch eine persönliche Krise. Schauen wir uns dann um, mag überwältigend und widersprüchlich zugleich sein, was wir finden. Wo beginnen?

Äußere Anregung, Innere Resonanz
Nicht selten gibt es etwas, was uns besonders ins Auge springt und interessiert. Vielleicht macht es zunächst irgendwie keinen Sinn, aber wenn ich an all die Geschichten von den Menschen denke, die ihre Inspiration und ihren Weg gefunden habe, dann begannen sie alle mit so etwas.

Folgt man dem, was einen anspricht, trifft man andere, die es anspricht, findet man weitere ähnliche Themen und macht seine eigenen Erfahrungen damit. Manchmal ist das schon alles, was man gesucht hat. Bleibt man sich selbst treu, kann die spannende Reise weitergehen.

Vertiefung oder Besuche an den Grenzen unseres Tellerrandes
Auf jedem Weg gibt es viele Gabelungen und Kreuzungen. Auch finden wir Sackgassen. Manches Essen schmeckt uns gut, anderes ist etwas karg oder gar nicht unser Geschmack; ebenso die Reisegefährten.

Haben wir aber unser Ding gefunden, wenn auch noch mit dem einen oder anderen Fragezeichen daran, kann das Abendteuer beginnen. Wir vertiefen uns in die Materie, was immer es ist. Wir erproben einiges, experimentieren mit manchem, scheuen zurück bei anderem. Wir werden vorsichtig, reflektieren, starten erneut und ruhen uns immer wieder von den Besuchen an den Grenzen unseres Tellerrandes aus.

„Verdauung“
Wie das Essen auf einer Reise in unbekanntem Land, so kann auch der Prozeß mit Material von uns noch unbekanntem Gebiet ähnlich sein. Manches sitzt einem eine Weile quer, wir ‚kauen‘ vielleicht sogar gründlich darauf herum, aber es will nicht so recht Sinn machen im eigenen System.

Dann ist die Frage, ‚weiter oder nicht‘? Wo bekommen wir bessere Information dazu? Warum macht es keinen Sinn? Was kann ich hier lernen? Bin ich allein mit diese Schwierigkeit oder…? Dies können unangenehme Momente sein, aber auch die, in denen wir am meisten entdecken und lernen.

Irgendwann formen wir unser eigenen Ergebnis oder unsere ‚Arbeitshypothese‘ und bewegen uns weiter. Im Laufe dieses Prozesses erleben, balancieren, spielen und lernen wir viel.

Ende oder Anfang?
Soweit ich beobachten konnte, gibt es kein Ende. Es geht immer weiter. Selbst viele Menschen in ihren 90ern sind immer wieder erstaunt, wie unerfahren sie noch gestern (oder damals mit 70 Jahren) waren und dass sie immer noch so viel lernen.

Ich habe viele wirklich beeindruckende Ältere befragt und ihre Rat für uns Jüngere ist immer wieder der gleiche: Eigenes Interesse und Flexibilität; einen Anfängergeist bewahren und auch festzustellen, wenn einem diese mal wieder abhanden gekommen sind; nicht mit dem Kopf durch die Wand aber auch nicht vorzeitig aufgeben, und sich nicht durch andere vom eigenen Weg abbringen lassen.

Das allerbeste aber im Zusammenhang mit Vertiefung ist, dass das Leben nie langweilig wird. Wir sind immer wieder angeregt, aktiv, engagiert, reflektiert,  ganz authentisch und ganz lebendig zu sein.


Einige Fragen für ‚unterwegs‘:
Was tue ich, wie und warum tue ich es, wie fühle ich mich dabei und wohin bin ich damit unterwegs?

Vertiefung kann in jedem Moment geschehen, egal wo wir sind und was wir tun. Erlauben wir uns immer mal wieder eine kleine Atempause für solche Reflexion und solche Eichung, dann geschehen Vertiefung und Orientierung ganz  von selbst.

Gute Reise:)

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